"Das ist wirklich ein Herzensprojekt."
Datum
Interview: Julia Rothhaas
Lucia, du eröffnest die neue Spielzeit am Münchner Volkstheater mit "The Lobster". Ursprünglich ist dies ein Film des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos, der 2015 erschien. Verrätst du uns, um was es in dem Stück geht?
Lucia Bihler: Es geht um eine Welt, in der man nur als Paar leben darf. Wenn man sich trennt oder die Partner*in stirbt, muss man in ein spezielles Hotel ziehen und hat dort exakt 45 Tage Zeit, um jemand Neues zu finden. Wenn man das nicht schafft, wird man in ein Tier seiner Wahl verwandelt.
Wie kamst du darauf, diesen Film als Theaterstück zu inszenieren?
Mir hat schon Lanthimos‘ Film "Dogtooth" unglaublich gut gefallen, der 2009 in die Kinos kam. Bei "The Lobster" ging es mir dann ähnlich. Diese absurden Welten des Films sind wie gemacht für die Theaterbühne, sehr situativ und zugespitzt, mit großartig geschriebenen Figuren. Ich habe seit Jahren große Lust darauf, diesen Stoff auf die Bühne zu bringen, das ist wirklich ein Herzensprojekt.
Zwischen Selbstverwirklichung, Selbstoptimierung und gesellschaftlichen Konstrukten entsteht eine Leere. Diese Entfremdung ist ein Thema, das mich schon lange beschäftigt.
Das Stück guckt mit seiner Dringlichkeit, unbedingt einen Partner finden zu müssen, auch kritisch auf die Dating-Kultur, auf den heutigen Kult um Pärchen. Was hat dich daran gereizt?
Den Film fand ich auch deshalb so toll, weil er unser ewiges Schubladendenken hinterfragt. Das kann in vielen Situationen zwar eine Denkhilfe sein, aber wir bleiben oft in starren Kategorien hängen und bewerten diese sehr unterschiedlich. Wenn jemand beispielsweise Single ist, wird er sofort gefragt: Bist du nicht einsam? Menschen in einer Beziehung werden dies hingegen nicht gefragt – dabei gibt es viele, die sich auch als Paar einsam fühlen. Das finde ich schon interessant. Außerdem geht es in unserer Gesellschaft mit all ihren Dating-Apps ja nicht mehr nur um Partnersuche. Dahinter steht schon auch die vermeintliche Suche nach Selbstverwirklichung. Diese Kategorien, in denen wir denken, bestimmen oft, was wir uns wünschen und wie wir unser Leben gestalten. Zwischen Selbstverwirklichung, Selbstoptimierung und gesellschaftlichen Konstrukten entsteht eine Leere. Diese Entfremdung ist ein Thema, das mich schon lange beschäftigt.
War es schwierig, das Drehbuch für die Bühne zu adaptieren?
Eine große Herausforderung war es, den besonderen Ton des englischen Originals zu treffen. Außerdem haben wir die Räume auf der Bühne extrem verdichtet, weil es ja keine unterschiedlichen Drehorte gibt. Dafür können wir mit elf Menschen auf der Bühne das Potential des Theaters nutzen und eine ganz eigene Atmosphäre und Energie erzeugen. Ich bin sehr beeindruckt von dem Ensemble. Alle sind so diszipliniert und unterstützen sich gegenseitig, wo sie nur können. Die Zusammenarbeit ist sehr angenehm.
Sprache entsteht im Kopf und Körper durch Bewegung. Diese Energie zu erforschen, eine Atmosphäre spürbar zu machen, zu vergrößern, finde ich spannend.
Du bist als Regisseurin bekannt für die Choreografie in deinen Stücken. Warum ist dir die so wichtig?
Ich arbeite gerne sehr körperlich. Ich finde es elementar, Sprache und Körper in der Probenarbeit zu trennen. Deswegen gehe ich mit dem Ensemble immer sofort auf die Bühne, wir improvisieren ab Tag eins. Sprache entsteht im Kopf und Körper durch Bewegung. Diese Energie zu erforschen, eine Atmosphäre spürbar zu machen, zu vergrößern, finde ich spannend. Auch jetzt, zum Ende der Proben, improvisieren wir hin und wieder. Das Ungewisse muss man aushalten, auch so kurz vor der Premiere. Aber es wirft extrem viel ab.
Hast du dir den Film für die Proben oft angesehen?
Nein, das habe ich bewusst nicht gemacht. Ich habe mich nur am Drehbuch orientiert. Aber wer weiß: Vielleicht gucke ich ihn mir jetzt noch einmal an.
In dem Film werden die Singles, wenn sie nach 45 Tagen niemanden gefunden haben, zum Tier ihrer Wahl. Angenommen, du müsstet dir ein Tier aussuchen, welches wäre das?
Ich finde Vögel gut, denn irgendwie muss man den schrecklichen Menschen ja entkommen. Ich würde mich wohl in einen frechen Spatzen verwandeln oder in einen Raubvogel.
"The Lobster" nach dem Film von Yorgos Lanthimos und Efthimis Filippou in der Regie von Lucia Bihler ist ab dem 26. September im Münchner Volkstheater zu sehen.