"Am Theater kann man Luftschlösser bauen."

Franziska Schweiger ist Produktionsleiterin am Münchner Volkstheater. Aber was genau macht man eigentlich in diesem Job? Ein Gespräch über die Grenzen des Möglichen, ihren künstlerischen Einfluss und die Magie einer Bauprobe.

Interview: Julia Rothhaas

Franziska, du bist Produktionsleiterin am Münchner Volkstheater. Was genau machst du? 
FRANZISKA SCHWEIGER: Ich sehe mich als Knotenpunkt im Haus, das heißt: Ich vermittle zwischen den Künstler*innenteams, die ja meist als Gäste ans Münchner Volkstheater kommen, und den hier ansässigen Werkstätten und Abteilungen wie Schreinerei, Beleuchtung, Kostüm und Maske. Darüber hinaus habe ich den großen Produktionsplan im Blick, also wer wann was abgeben muss, damit alle Gewerke genug Zeit haben bis zur Premiere.

Das klingt nach jeder Menge Organisation. Was sind die größten Herausforderungen, denen du dich stellen musst?
Meist sind es Zeit und Kosten, bei denen wir an unsere Grenzen stoßen. Beispiel Kostüm: Sollen für ein Stück zehn Schauspieler*innen jeweils drei Kostüme bekommen, werden wir es zeitlich vermutlich nicht hinbekommen, die alle selbst zu schneidern. Dann müssen wir auch mal einen Kompromiss finden: Können wir ausnahmsweise etwas kaufen? Gibt es Vergleichbares bereits im Fundus?

Franziska Schweiger (c) privat

Hast du auch künstlerischen Einfluss?
Nein, nicht direkt. Aber ich sehe meine Kreativität darin, etwa die Bühnenbildnerin oder den Bühnenbildner bestmöglich bei der Umsetzung ihrer Ideen zu unterstützen – natürlich gemäß den technischen Möglichkeiten, die unsere Bühnen hergeben. Ich sage allerdings auch klar, wenn etwas nicht geht. Schließlich muss ich das Budget im Auge behalten, das gehört ebenfalls zu meinem Job.

Danach folgt die Bauprobe.
Bauprobe Caligula (c) Weronika Demuschewski

Gucken wir zurück auf ein Stück, das jüngst Premiere am Münchner Volkstheater hatte: "Caligula". Ab wann bist du da involviert?
Für mich beginnt es mit der Skizzenbesprechung der Bühne, in diesem Fall war das ab Mitte September 2024. Im Idealfall hat sich die Bühnenbildnerin oder der Bühnenbildner vorab schon mit der Regie besprochen, damit wir über das Konzept reden und abschätzen können, ob das alles auch machbar ist. Der nächste Termin ist die Modellabgabe, da bringen die Bühnenbildner*innen ein fertig gebautes Modell im Maßstab 1:33 mit. Dafür sitzen dann alle technischen Abteilungen am Tisch, um durchzuspielen: Was passiert alles auf der Bühne? Und was brauchen wir dafür? Danach folgt die Bauprobe.

Und was ist das?
Für diesen Termin stehen alle Aufbauten samt Auf- und Abgängen mit Hilfe von kostengünstigen oder bereits vorhandenen Materialien provisorisch auf der tatsächlichen Bühne, damit man eine konkrete Vorstellung bekommt für die tatsächliche Größe des Entwurfs. So sieht man am besten, ob alles funktionieren kann wie gewünscht, ob genug Platz für alles und alle ist. "Caligula" spielt ja in einer Art wandelbaren Holzkiste mit großen drehbaren Seitenwänden. Während der Bauprobe dieses Stücks haben wir uns zum Beispiel angeguckt, wie weit vom Publikum entfernt diese Kiste stehen darf, und ob sich die Wände dann auch noch drehen lassen. Denn manches wie beispielsweise das Bühnenportal lässt sich einfach nicht ändern.

Bühnemodell Caligula (c) Ansgar Prüwer

Wie lange vor der Premiere findet die Bauprobe statt?
Meist sechs Wochen vor Probenbeginn, die Proben selbst laufen dann sieben, acht Wochen.

Und wer ist bei diesem Termin dabei?
Die Regie, die Technische Leitung, der Bühnenbildner, der Bühnenmeister und viele Bühnentechniker*innen sowie alle weiteren technischen Abteilungen, Werkstattleitung, Audio/Video, Beleuchtung und Requisite. 

Und die Schauspieler*innen?
Die sind nur dabei, wenn sie bereits wissen, dass sie Teil der Produktion sein werden. Auf der Bühne herrscht an diesem Tag immer ein ganz schönes Gewusel, das ist vor allem für die Ausstattungsassistenzen irre stressig. Die müssen nämlich Protokoll darüber führen, was alles noch geändert werden muss, und dafür ihre Ohren überall gleichzeitig haben. Trotzdem ist die Bauprobe für mich ein besonders schöner Moment einer Produktion, denn da kommt das gesamte Team zum ersten Mal bei uns am Haus zusammen.

Regisseur Chai Bar-zvi und Bühnenbildner Ansgar Prüwer (c) Weronika Demuschewski
Wenn ich ein Stück "nur" sehen will, muss ich an ein anderes Haus gehen.

Kannst du dich bei der Premiere voll und ganz auf ein Stück einlassen oder geht dir da zu viel durch den Kopf?
Wenn ich ein Stück "nur" sehen will, muss ich an ein anderes Haus gehen. Denn ich achte bei uns schon sehr darauf, ob alles funktioniert, und was man noch verbessern könnte. Außerdem weiß ich ja genau, welche Verwandlungen die Bühne im Laufe des Stücks so durchmacht. Da fehlt meist die Überraschung.

Wie bist du eigentlich zu deinem Job als Produktionsleiterin gekommen?
Ich habe Architektur studiert, wollte in dem Beruf aber nie arbeiten, sondern schon immer zum Film oder ans Theater. Das ist seit jeher mein großer Wunsch. Über meinen Master in Szenografie hat es dann geklappt: Ich war zunächst Ausstattungsassistentin für Bühne und Kostüm an verschiedenen Häusern in Ingolstadt, Essen und Klagenfurt. Seit einem Jahr bin ich Produktionsleiterin am Münchner Volkstheater. 

Bühnemodell Caligula (c) Ansgar Prüwer

Was gefällt dir so am Theater, wenn das dein großer Wunsch war?
Ich mag seinen temporären Charakter und dass es nicht eins zu eins reproduzierbar ist. In der Architektur baut man Häuser und am Theater kann man Luftschlösser bauen, das ist wie Zauberei – auch wenn ich durch meinen Job nun ziemlich genau weiß, wie am Ende gezaubert wird. Aber für andere zaubern, ist ja auch sehr schön.