"Im Rückblick habe ich vieles von dem verstanden, was ich als Assistent beobachtet habe."

Zwei Jahre lang hat Simon Friedl als Regieassistent am Münchner Volkstheater gearbeitet, nun kehrt er mit "faulender Mond" als Regisseur ans Haus zurück. Ein Gespräch über seinen Neustart, die Magie der Reduktion und was er von anderen gelernt hat.

Interview: Julia Rothhaas

Simon, nachdem du bis Herbst 2021 am Münchner Volkstheater als Regieassistent gearbeitet hast, kehrst du nun nach drei Jahren als Regisseur zurück. Wie fühlt sich dieses Zurückkommen an?
SIMON FRIEDL: Ich habe mich im Vorfeld schon gefragt, ob ich den Regieassistenten einfach so abschütteln kann. Es gibt viele Menschen, die mich noch als den 19-Jährigen kennen, der anfangs gar nicht wusste, wie das geht: Theater. Doch das ist mir gut gelungen. Ich freue mich, wie viele am Haus Lust haben, unsere Produktion zu unterstützen, und es mir in dieser neuen Position so leicht wie möglich machen wollen.

Als erstes Stück hast du dir "faulender Mond" von Anaïs Clerc ausgesucht, das am 31. Januar Premiere feiert. Um was geht es in dem Stück?
Zwei Arbeiterinnen lernen sich in einer Metzgerei kennen. Nicht, weil es ihr Traumjob wäre, sondern weil die Lebensumstände sie dort hingetrieben haben. Auch wenn die Frauen sehr unterschiedlich sind, stellen sie mit der Zeit Gemeinsamkeiten fest, darunter: Dass Wirklichkeit und Wunsch in ihrem Leben immer weiter auseinanderdriften. Tatsächlich ist das Stück sehr aktuell.

Simon Friedl (c) Marvin Balonier

Inwiefern?
Es spielt kurz vor einer Wahl. Die Entscheidung für dieses Stück ist allerdings weit vor der Vertrauensfrage von Olaf Scholz und den Neuwahlen am 23. Februar gefallen. In "faulender Mond" entscheidet sich dann eine der beiden Frauen für eine rechte Partei.

Simon Friedl (c) Marvin Balonier

Trennen sich mit dieser politischen Ausrichtung die Wege der beiden? 
Nachdem sie ihren Job verloren haben, stellt sich heraus, dass die Partei sie nicht mehr braucht; die Wähler*innen waren nur Mittel zur Macht und werden jetzt fallengelassen. Aber die Frauen schaffen es, wieder zusammenzufinden. Weil sie verstehen, dass es trotz aller Unterschiede vieles gibt, das sie verbindet. Mehr sollten wir aber nicht verraten. 

Simon Friedl (c) Marvin Balonier

Wie bist du zu diesem Stück gekommen? 
Ich habe einen Teil des Stücks bereits im vergangenen Jahr als Szenische Lesung in Münster auf die Bühne gebracht und dort auch die Autorin Anaïs Clerc kennengelernt. Als mich das Münchner Volkstheater im Frühjahr fragte, ob ich mir diese Inszenierung vorstellen könnte, kannte ich es also schon. 

In dem Stück tauchen nur zwei Personen auf. Hast du das als Einschränkung empfunden? 
Nein. Es gäbe die Möglichkeit, auch mehr Schauspieler*innen zu besetzen. Wir haben uns aber bewusst dafür entschieden, zu reduzieren. Henriette Nagel und Nina Noé Stehlin spielen also mehrere Figuren, sie springen hin und her. Mir gefällt, dass "faulender Mond" auf der einen Seite sehr konkret ist mit nachvollziehbaren Dialogen. Dadurch entsteht keine große Hürde, um reinzukommen. Gleichzeitig nähert sich das Stück einem wahnsinnig komplexen Diskurs: Wie gehen wir mit einem immer weiter eingeschränkten Handlungsspielraum um? Eine Frage, an der wir ja alle irgendwie kauen müssen. Man könnte sagen: Es geht um das Große im Kleinen. Das klingt alles sehr ernst, hat aber auch Humor.

Du bist in Bad Reichenhall groß geworden. Wann hast du für dich verstanden: Theater, das ist eine Welt, die mich interessiert?
Angefangen hat es im Schultheater. Ich war 18 Jahre alt, als ich dort gespielt habe; ich hatte also vergleichsweise spät zum ersten Mal mit Theater zu tun. Doch es hat mich sofort fasziniert. Aber wo das hinführen könnte, das wusste ich nicht. Über Umwege kam ich auf die Idee, mich für eine Hospitanz im Münchner Volkstheater zu bewerben. Auf einer Premiere habe ich dann zufällig Christian Stückl kennengelernt und ihm erzählt, dass ich seit Wochen an einer Bewerbungsmail sitze. Ein paar Wochen später hat er mich angerufen und gesagt: "Hospitanz, das bekommen wir auf jeden Fall hin. Aber du musst ja auch Geld verdienen, willst du nicht lieber Regieassistenz machen?" Das war krass, denn Erfahrung hatte ich keine.

Erst später im Selbstmachen konnte ich meine Erfahrungen nutzen.

Wie sahen deine ersten Schritte am Theater aus?
Mein Einstieg war 2019, bei "Der Kaufmann von Venedig", da war ich Stückls Assistent. Ich habe wahnsinnig viel lernen müssen an Abläufen und Strukturen, denn ich hatte ja wirklich keine Ahnung, was ich zu tun habe. Das war schon speziell. Ich war dann zwei Spielzeiten am alten Haus und habe mit der ersten Premiere am neuen Haus aufgehört. Danach habe ich angefangen, Regie an der Folkwang Universität der Künste in Essen zu studieren. 

Hat dir die Theatererfahrung während des Studiums geholfen? 
Als Assistent kommt man zu einem Stück hinzu, wenn schon ganz viel entschieden worden ist. Als Regisseur setzt man viel früher an. Insofern war das Studium doch eine ganz andere Nummer. Erst später im Selbstmachen konnte ich meine Erfahrungen nutzen. Im Rückblick habe ich vieles von dem verstanden, was ich als Assistent beobachtet habe.

Simon Friedl (c) Marvin Balonier

Du warst nicht nur Assistent von Christian Stückl, sondern auch von Sapir Heller bei "Das hässliche Universum". Was hat dir besonders gut gefallen an der Arbeitsweise der beiden Regisseur*innen?
Bei Sapir habe ich eine wahnsinnig angenehme Atmosphäre auf den Proben erlebt. Das war eine spezielle Zeit, so direkt nach dem Lockdown, als man wieder Theater machen durfte. Einmal sagte sie, dass das Stück am Ende so wird, wie wir auf den Proben miteinander sind. Das hat mir sehr gut gefallen.

Simon Friedl (c) Marvin Balonier

Und bei Stückl?
Bei Christian habe ich vor allem das Gefühl, dass er immer eine Geschichte gut erzählen will. Er will zugänglich sein. Ein "wie weit kommen wir heute?" hat er wirklich bei jeder Probe mit allen zusammen gesucht. Wie konsequent er dran bleibt bis zum Letzten, das möchte ich gern für meine Arbeit übernehmen.

Und was möchtest du dir als Regisseur stets bewahren?
Interesse an dem, was gerade in der Gesellschaft passiert, also jenseits meiner eigenen Empfindlichkeiten. Was sind gerade die wichtigen Fragen und Themen, was liegt in der Luft? Sich daran zu orientieren, sich auch immer wieder damit zu verbinden und dann zu versuchen, Theater zu machen – das umzusetzen, wäre mein großer Wunsch.

"faulender Mond" von Anaïs Clerc in der Regie von Simon Friedl ist ab dem 31. Januar 2025 auf Bühne 3 im Münchner Volkstheater zu sehen.