"Ich habe mich auch vom Kolosseum in Rom inspirieren lassen."
Datum
Interview: Julia Rothhaas
Marilena, von dir stammen die Kostüme im Stück "Caligula", das am 23. Januar im Münchner Volkstheater Premiere feiern wird. In dem Stück von Albert Camus geht es um Willkürherrschaft, Macht, Manipulation. Wie spiegeln sich diese großen Themen in deinen Kostümen wider?
MARILENA BÜLD: Meine Entwürfe sind angelehnt an die Ästhetik der Antike, gleichzeitig aber sehr stilisiert und mit einem starken Bezug zur Moderne. Mir war es auch wichtig, anhand der Auswahl der Stoffe Elite, Macht und Geld darzustellen. Beim Entwerfen hat mich vor allem der Bruch und das Zusammenspiel von Antike und Moderne interessiert. Das Kostüm von Caesonia beispielsweise, Caligulas engster Vertrauten, ist aus einem modernen Lycra-Stoff gefertigt, der in antike Falten gelegt ist.
Was kannst du über deine Kostüme verraten, ohne zu viel Überraschung vorwegzunehmen?
Ich war im Sommer in Rom und habe mich dort inspirieren lassen, auch von Monumenten der Macht wie dem Kolosseum und den Statuen auf der Via dei Fori Imperiali. Wie in der Antike wird es auf der Bühne keine Hosen geben, sondern Kleider, Gewänder, Röcke. Für jede:n Schauspieler:in gibt es zwei bis drei Kostüme, die auch inhaltlich eine Rolle spielen werden.
Für mich bedeutet der Entwurf eines Kostüms immer auch die Möglichkeit, binäre Rollenbilder zu hinterfragen.
Unterscheiden sich die Kostüme von Mann und Frau?
Nein, ich entwerfe Kostüme immer nach Figuren und Charakteren, unabhängig von ihrem Geschlecht. Für mich bedeutet der Entwurf eines Kostüms immer auch die Möglichkeit, binäre Rollenbilder zu hinterfragen, sie aufzubrechen und dadurch neue Sehgewohnheiten zu ermöglichen.
Kannst du erzählen, wie dein Arbeitsprozess normalerweise aussieht bei der Inszenierung eines neuen Stücks?
Ich habe das Glück, immer sehr frei arbeiten zu können. Nachdem ich das Stück gelesen habe, warte ich meist auf die Besetzungsliste, das hilft mir schon mal beim Nachdenken und Entwerfen. Es folgen Besprechungen mit Regie und Bühnenbild, danach beschäftige ich mich mit den ersten Skizzen. Im nächsten Schritt entstehen Figurinen, also die sehr genauen Darstellungen einer Figur. Hier nutze ich eine Collagetechnik aus Acryl, Graphit und Fotocollage. Nach der Kostümabgabe, in der ich mich mit der Kostümabteilung und den Gewandmeister*innen abstimme, legt die Schneiderei los. Pro Kostüm gibt es dann zwei, drei Anproben. Zuletzt werden die Kostüme in den Endproben auf der Bühne im Bühnenbild überprüft. Das ist für mich meist der schönste und aufregendste Moment.
Was ist mit der Maske, bist du da auch involviert, damit die zum Kostüm passt?
Absolut, ich finde, das ist ein sehr wichtiger Teil des Gesamtkonzepts. Die Maske denke ich bei den Figurinen in ihren Kostümen immer gleich mit. Für "Caligula" werden außerdem drei Perücken angefertigt und jede Menge Haarteile.
Es geht mir aber darum, an Stücken mitzuwirken, die das Publikum inspirieren und es dazu ermutigen, die Welt neu zu betrachten.
Seit wann arbeitest du als Kostümbildnerin?
Ich habe 2020 meinen Abschluss gemacht an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, seitdem habe ich unter anderem am Schauspielhaus Graz, am Maxim Gorki Theater, am Schauspielhaus Bochum und an der Volksbühne in Berlin als freie Bühnen- und Kostümbildnerin gearbeitet. Vor zwei Jahren war ich auch schon mal am Münchner Volkstheater an der Produktion von "Pension SchöllerInn!" beteiligt.
Gibt es ein Stück, für das du unbedingt einmal die Kostüme entwerfen möchtest?
Kostüme für die Salzburger Festspiele oder eine Oper in der Mailänder Scala wären aufgrund ihrer Opulenz und Möglichkeiten natürlich toll. Vielmehr geht es mir aber darum, an Stücken mitzuwirken, die das Publikum inspirieren und es dazu ermutigen, die Welt neu zu betrachten bzw. sie zu hinterfragen.
"Caligula" von Albert Camus in der Regie von Ran Chai Bar-zvi ist ab dem 23. Januar 2025 auf der Bühne 1 im Münchner Volkstheater zu sehen.