Ein Portrait von Max Poerting

"Das war schon alles ein Overload"

Wegen der momentanen Corona-Welle mussten in insgesamt 15 Vorstellungen Rollen kurzfristig umbesetzt werden. Unser Ensemblemitglied Max Poerting erzählt im Interview, wie die letzten Wochen für ihn waren.

Interview: Tobi Obermeier

Max, kannst du noch ruhig schlafen oder wartest du schon auf den nächsten Anruf mit der Bitte, bei einer Inszenierung einzuspringen?

Ich glaub, dass mittlerweile alles einmal umbesetzt ist und wir aus dem Schneider sind. Aber wer weiß, es kommen ja neue Produktionen. Das Hauptding war ja immer "Animal Farm". Da bin ja ursprünglich ich eingesprungen und mittlerweile sind mehr oder weniger alle Rollen so verteilt, dass ich, mein Kollege Alexandros Koutsoulis oder jemand anderes einspringen kann.

Jede Rolle bei "Animal Farm" kann bei Erkrankung umbesetzt werden?

Nicht alle. Es gibt drei größere Rollen mit deutlich mehr Text. Das sind die drei Schweine. Aber bei allen anderen wäre es wahrscheinlich kurzfristig möglich.

Wie geht ihr genau vor, wenn am Tag davor der Anruf kommt. Kann man den Text so schnell einstudieren?

Es kommt darauf an, wie groß die Aufgaben sind. Ein paar Kollegen und Kolleginnen haben auch mit Textbuch gespielt. Zum Beispiel Silas Breiding in "Die Tragödie des Macbeth". Da hat er die Rolle des Banquo mit Textbuch übernommen. Das gibt einem natürlich Sicherheit. Aber er meinte, das macht auch die Atmosphäre etwas zunichte. Alles ist sehr still und konzentriert. Und dann hört man ein Textbuch umblättern. Aber ich denke, das stört uns vielmehr, als die Zuschauer*innen. Ich glaub, für das Publikum ist das eher schön, wenn auf der Bühne vorher angesagt wird, es springt jemand ein und sie sitzen dann in einer besonderen Vorstellung.

© Stefan Loeber
Es musste nochmal eine komplette Umbesetzungsprobe sein.

So eine Umbesetzung ist ja ein großer Stress für das ganze Team.
Bei der Henne in "Animal Farm" hatte ich vielleicht 15 Sätze. Aber das sind Einzelsätze und die kommen irgendwo im Stück vor. Deswegen musste tatsächlich noch eine komplette Umbesetzungsprobe sein. Die ganze Kapelle musste kommen, damit die Rolle umbesetzt werden konnte.

Welche Rollen musstest du denn bei "Animal Farm" noch übernehmen?
Die von Alexandros, das sind zwei Rollen, die aufgeteilt sind. Ich hatte eigentlich frei und war gerade im Auto auf dem Weg zum Baumarkt. Dann kam der Anruf aus dem Künstlerischen Betriebsbüro. Das ist ein bisschen mehr Text gewesen, aber ich hatte eine Woche Zeit, ihn zu lernen und die Vorgänge einzustudieren. Also ich hab die ganze Endprobenwoche mitbekommen. Das Team war auch wahnsinnig unterstützend. Die haben mir es relativ einfach gemacht.

 

© Stefan Loeber

Du hast also gar nicht gezögert mit der Entscheidung?
Nein, mir war zu der Zeit ehrlich gesagt ein bisschen langweilig. Da habe ich mich eigentlich gefreut. Und dann war eine Woche später der Lorenz Hochhuth krank, der spielt bei Animal Farm ein Pferd. Und da haben sie erst mich gefragt. Ich hab gemeint, das wäre mir ein bisschen zu viel. Sie haben dann Alexandros gefragt, der seine eigene angestammte Rolle noch gar nicht gespielt hatte. Und dann ist er eingesprungen. Dann war ich bei der Henne wieder dran.

Du hast die Rolle von Alexandros übernommen und er wiederum die von Lorenz?
Und dann kam Lorenz wieder und der Status Quo ist nun, das Alexandros und ich doppelt besetzt sind und wir beide die Figur spielen können.

Wie viele Rollen kann man eigentlich parallel im Kopf haben?
Das ist ja glücklicherweise stark gekoppelt an die Vorgänge auf der Bühne. Ich hatte noch nicht das Problem, dass ich so viele Rollen parallel hatte. Ich habe gerade vier Rollen. Und dadurch dass die Bühne immer ganz anders aussieht und es immer ein ganz anderes Setting ist, kommt man da nicht so krass durcheinander.

Nach einer Woche denkt man sich, man könnte eigentlich auch eine Woche freimachen. Weil es einfach so von null auf hundertachtzig geht.

Und es gibt immer wieder Wiederaufnahmeproben, wenn ein größerer zeitlicher Abstand dazwischen ist?
Ja, genau! Wir hatten von "Die Tragödie des Macbeth" die letzte Vorstellung vor der letzten Sommerpause. Für das neue Haus musste alles angepasst werden, Bühne, Beleuchtung und so weiter. Und da haben wir am gleichen Tag geprobt und die Wiederaufführung gemacht. Das war ein bisschen stressig. Und dann habe ich noch erfahren, dass ich am nächsten Tag die Henne übernehme. Und parallel muss man ja auch noch proben. Gerade steht "Johanna von Orleansan. Das war schon alles ein Overload. Da geht gerade nur noch wenig in den Kopf rein.

Könnte es nicht mittlerweile wieder etwas ruhiger werden?
Das schon. Eigentlich hat man Lust zu arbeiten. Und nach einer Woche denkt man sich, man könnte eigentlich auch eine Woche freimachen. Weil es einfach so von null auf hundertachtzig geht. Wir stehen natürlich bereit dafür und es ist auch aufregend. Aber allzu oft sollte man das auch nicht machen. Und zum Glück haben wir Kolleginnen und Kollegen die da mitziehen. Da ist man echt gut aufgehoben. Ich war auch sehr froh, dass meine Rollen übernommen werden konnten, als ich Corona hatte. Das trifft uns ja alle.

Das ganze Ensemble muss sich gegenseitig aushelfen.
Im März war das für uns sehr intensiv. Wir hatten sehr viele Vorstellungen von denen bestimm viel ausgefallen wäre. Da konnten wir viel abfedern. Im April sind einige Endprobenphasen. Die sind nicht weniger intensiv, aber es gibt kein Stücke-Hopping mehr.

Dann hoffen wir, dass die nächsten Wochen ein bisschen ruhiger werden.
H
offen wir es. Es zeichnet sich zumindest ab.