Die Bühnen-WG
Datum
Text: Tobias Obermeier
Musikalisch haben sie wenig gemein. Die Musikerin und Moderatorin Nina Sonnenberg ist unter ihrem Künstlernamen Fiva für ihren vielseitigen und eingängigen Deutschrap bekannt. Die beiden Musikproduzenten und DJs Benedikt Wiessmeier und Jakob Döring von der Schlachthofbronx machen hingegen elektronische Tanzmusik, die irgendwo zwischen Dub, Bass, Reggae, Dancehall und Techno jegliche Genregrenzen über Bord wirft. Gemeinsam Musik machen? "Das ließe sich nur schwer zusammenbringen und würde weder im Club noch auf der Bühne funktionieren", so Nina Sonnenberg.
Die Genres mögen noch so unterschiedlich sein, doch die drei Musiker*innen verbindet seit Jahren eine enge Freundschaft. Seit über 16 Jahren kennen sie sich schon. "Wir haben uns beruflich durch den Bayerischen Rundfunk kennengelernt. 2008 interviewte ich die Schlachthofbronx für den 'Zündfunk' auf dem Lidl-Parkplatz hier im Schlachthofviertel", so Sonnenberg. "Nina hat das allererste Interview mit uns gemacht", ergänzt Wiessmeier. Seitdem ist viel Zeit vergangen, und weder die Schlachthofbronx noch Fiva sind inzwischen aus der Münchner Musikszene wegzudenken.
Ein Freitagvormittag Mitte Juli, die Luft ist schwül und drückend, man sehnt sich nach ein paar Sonnenstrahlen, doch aus dem Nichts fängt es zu regnen an. Sonnenberg, Wiessmeier und Döring sitzen vor einem Café unweit des Münchner Volkstheaters. Auf den großen, roten Sonnenschirm über ihnen prasseln die Regentropfen.
Die drei sitzen zusammen, um mit dem "Volksmund" über ihre langjährige Freundschaft zu sprechen und über den "Salon Sonnenberg" am Münchner Volkstheater. Das Konzept der Veranstaltung ist bestechend einfach: Nina Sonnenberg lädt Kolleg*innen ein, um mit ihnen Musik zu machen und über die Welt zu sprechen. Neben Musiker*innen verschiedenster Spielart sind auch immer wieder Kabarettist*innen Teil des Programms. Zwei ausverkaufte Ausgaben gab es bereits vergangene Spielzeit auf der Bühne 1 des Volkstheaters. In der Spielzeit 2024/2025 folgen drei weitere "Salons". Ein nicht unwesentlicher Teil jeder Ausgabe der lockeren und improvisierten Bühnenshow ist die Schlachthofbronx. Wiessmeier und Döring spielen zwar nicht selbst auf der Bühne Musik, sind aber als Gastgeber mit dabei und ergänzen das Programm, indem sie mal Getränke an die Gäste ausschenken oder gemeinsam mit Sonnenberg einen Teil der Moderation übernehmen. "Wir machen halt das, was wir können", meint Wiessmeier lapidar. "Also Hallo sagen und Gläser vollmachen."
Es fühlte sich an, als ob sie bei mir wohnen. Danach dachte ich mir, ich will das unbedingt auf die Bühne bringen.
Das Bühnenkonzept, angelegt als WG mit Küchenzeile, Kühlschrank und Esstisch, ist im Grunde ein Ergebnis der Pandemie. Als der Kulturszene durch die Coronamaßnahmen der Stecker gezogen wurde, veranstaltete Sonnenberg Wohnzimmerkonzerte bei sich zu Hause, zu denen sie Freund*innen und Nachbar*innen einlud. "Benedikt und Jakob kamen rein und fingen sofort an, die Gastgeberrolle zu übernehmen und allen was zu trinken zu geben. Die beiden waren so eine Hilfe. Es fühlte sich an, als ob sie bei mir wohnen. Danach dachte ich mir, ich will das unbedingt auf die Bühne bringen", so Sonnenberg.
Ihre Verbundenheit auf der Bühne zeigt sich auch im Gespräch. Sonnenberg ist die Wortgeberin und erzählt freimütig über sich, ihre Show und die Schlachthofbronx. Wiessmeier und Döring hören hingegen einfach zu und ergänzen nur hie und da. "Nina redet ja gerne und viel. Das ist bei dem Job auch sehr wichtig. Da braucht es nicht noch jemanden, der genauso viel erzählt, sondern vielmehr jemanden, der nur punktuell seinen Senf dazugibt", kommentiert Wiessmeier auf seine lakonische Art. Für Sonnenberg sind die beiden jedoch auch ohne viele Worte unverzichtbar: "Es ist keine Freundschaft, die daraus besteht, dass wir uns jeden dritten Tag sehen. Wir haben vorhin schon darüber gelacht, dass ich erst eine Veranstaltung im Theater auf die Beine stellen musste, um die beiden regelmäßig sehen zu können. Aber was ich an der Freundschaft und auch an der WG, die wir auf der Bühne haben, toll finde, ist, dass Benedikt und Jakob eine der wenigen Menschen und auch wenigen Männer sind, die sich sowohl für Feminismus als auch Antirassismus konsequent starkmachen. Und zwar auf eine total unterstützende Art und Weise. Das macht sie schon sehr besonders."
Dabei sind die beiden eher für ihr Understatement bekannt. Sie suchen nicht nach der großen Aufmerksamkeit, sondern gehen ihren eigenen Weg. In ihrer über 16-jährigen Geschichte als Schlachthofbronx kalkulierten sie ihre Musik nie nach den jeweils vorherrschenden Trends. "Es ist nicht Teil unseres Konzepts, vorher die Marktlage zu checken. Wir sind einfach stur und machen das, worauf wir Lust haben. Und wenn sich das zufällig mit Sachen überschneidet, die gerade gut ankommen, freuen wir uns", meint Döring.
Im "Salon Sonnenberg" zählen sie womöglich zu jenen Menschen, von denen Döring im Laufe des Gesprächs erzählt: "Es gibt Leute, die nicht selber in einer WG wohnen, aber trotzdem immer als eine Art Inventar da sind und dadurch eine WG entscheidend prägen." Dass sie diese Rolle auf der Bühne übernommen haben, steht für Sonnenberg außer Frage. Deswegen hat sie mit der Schlachthofbronx noch einiges vor: "Ich sehe die beiden in Zukunft viel mehr in der Moderation. Zum Glück haben wir diese Spielzeit gleich drei Mal die Gelegenheit, um das auszuprobieren."
Der Salon Sonnenberg #4 findet am Donnerstag, den 19. Dezember 2024 um 20 Uhr auf Bühne 1 statt. Die fünfte Ausgabe des Salon Sonnenberg kommt am Donnerstag, den 13. Februar 2025 um 20 Uhr auf die Bühne 1 des Münchner Volkstheaters.