Ein Versuchsaufbau des Stillseins

Am 9. Oktober feiert "fünf minuten stille" nach dem gleichnamigen Text von Leo Meier Premiere. Das Besondere: Die beteiligten Schauspieler*innen inszenieren das Stück selbst.

Autor: Tobias Obermeier

Etwas Überzeugungsarbeit bedurfte es schon. Schließlich kommt es nicht aller Tage vor, dass Schauspieler*innen aus dem Ensemble an Christian Stückl die Idee herantragen, selbst ein Stück zu inszenieren. Aber das Vorhaben kam letztlich nicht nur am Haus gut an. Auch Leo Meier und sein Verlag waren einverstanden, dass "fünf minuten stille" unter diesen ungewöhnlichen Voraussetzungen seine Uraufführung am Münchner Volkstheater feiert.

Die Idee dazu kam den vier Schauspieler*innen beim gemeinsamen Lesen des Stücks. "Was den Text so spannend macht, ist seine Zugänglichkeit. Man hatte sofort das Gefühl, ihn direkt vom Blatt und ohne großen inszenatorischen Überbau spielen zu können", schwärmt Jan Meeno Jürgens. Er und Steffen Link nehmen sich zu Beginn der neuen Theatersaison die Zeit, um von ihrer Arbeit an "fünf minuten stille" zu erzählen. Dabei sprechen sie auch, wie sie betonen, für ihre beiden Kolleginnen Liv Stapelfeldt und Anne Stein, die wegen Probeterminen verhindert sind.

Anne Stein, Steffen Link, Liv Stapelfeldt und Jan Meeno Jürgens (c) Gabriela Neeb
Der Text macht Lust, ihn zu spielen.

Die Zugänglichkeit des Textes liegt laut Steffen Link vor allem an seiner feinen und pointierten Sprache: "Der Text macht Lust, ihn zu spielen, was nicht bei allen modernen Stücken der Falls ist - um es mal frech zu sagen." Das liegt vor allem daran, dass Leo Meier nicht nur Dramatiker, sondern auch Schauspieler ist. "Man merkt einfach seinen schauspielerischen Zugang."

Daraus ergab sich die Entscheidung, auf einen Regieposten zu verzichten, wie Link erklärt: "Es wäre fast schade, wenn der Text in seiner Einfachheit noch mit einem Regiekonzept überfrachtet werden würde. Es gibt bei uns nicht die revolutionäre Lust daran, die Regie endlich mal hinter uns zu lassen. Dem Text muss man gar nicht viel hinzufügen, weil in seiner Einfachheit die Qualität liegt."

Trotzdem ist die Arbeit eine richtige Theaterproduktion und keine szenische Lesung. Emil Borgeest übernimmt das Bühnen- und Kostümbild. Hannah Mey ist für die Dramaturgie zuständig. Anton Burgstaller für das Licht. Und mit Malte Buchloh gibt es zudem eine Regieassistenz.

Die gemeinschaftliche Herangehensweise der Schauspieler*innen zeigt sich auch in der Art des Probens. So wurde in den ersten Wochen rotiert, sodass alle Rollen von allen einmal gespielt wurden und ein Verständnis dafür entwickelt werden konnte, wie überhaupt gearbeitet werden soll. "Unser Versuch ist etwas unüblich am Theater. Das hängt vielleicht auch mit ein bisschen Idealismus zusammen, da wir Rollen geprobt haben, ohne zu wissen, ob wir sie am Ende spielen werden. Uns ging es darum, die eigene Eitelkeit ein bisschen über Bord zu werfen", so Link. Auch wenn die Besetzung für die ersten Vorstellungen feststeht, möchten sie die Rollen durchtauschen und der Inszenierung dadurch eine gewisse Offenheit geben. Für Jan Meeno Jürgens ist das "eine neue Art von Verantwortung, die ich bisher für keinen anderen Abend empfunden habe."

Auf einmal sickern durch die Ritzen des Theaterraums all der Lärm und all die Hektik durch, die diese Figuren mit sich herumtragen

Auch wenn das Stück "fünf minuten stille" heißt, wird auf der Bühne kaum Stille herrschen. Es ist "ein Versuchsaufbau des Stillseins", wie Steffen Link das Stück bezeichnet, der scheitert. Es geht um eine Figur, die zusammen mit dem Publikum versucht, für fünf Minuten der Schnelllebigkeit der Welt zu entkommen. In der Sekunde, in der es losgeht und weitere Menschen den Raum betreten, ist es schon vorbei mit der Stille. "Auf einmal sickern durch die Ritzen des Theaterraums all der Lärm und all die Hektik durch, die diese Figuren mit sich herumtragen", beschreibt Jürgens die Grundprämisse des Stücks, das durchaus eine politische Dimension aufweist, sich aber nicht als Kommentar auf tagesaktuelle Geschehnisse versteht. Es geht vielmehr um Tendenzen in unserer Diskussionskultur, die offengelegt werden. Denn der Diskurs, so Steffen Link, "besteht meist darin, viel zu reden und sich dadurch eine Art Legitimierung und Renommee zu verschaffen. Aber wirklich zugehört und diskutiert wird nicht. Man ist nicht an der Sache interessiert." Die Figuren haben ständig den Druck, sprechen zu müssen. "Dieser Druck liegt daran, dass sie Angst haben, sich im richtigen oder falschen Moment richtig oder falsch zu äußern", ergänzt Jürgens.

Trotz diesem, gewissermaßen ernsten Thema darf nicht von einem ebenso ernstem Abend ausgegangen werden. Das Stück, so beschreiben es beide, ist eine Mischung aus äußerst liebenswerten Figuren, die alle auf ihre Weise in Not sind, und Situationen, die sich in absurde Höhen schrauben. Eine Konstellation, die einen sehr lustigen Theaterabend verspricht.

"fünf minuten stille" von Leo Meier von und mit Liv StapelfeldtAnne SteinJan Meeno Jürgens und Steffen Link ist ab dem 9. Oktober auf der Bühne 3 des Münchner Volkstheaters zu erleben.