Kleinstmögliches Ensemble
Datum
Text: Julia Rothhaas
Kurz bevor es im Münchner Volkstheater abends losgeht, brummt es im Foyer, im Zuschauerraum, hinter den Kulissen in Garderobe und Maske. Das tiefe vibrierende Geräusch all der Menschen schwillt kurz vor Vorstellungsbeginn nochmal an, bevor es dann ganz ruhig wird, Bühne ausgenommen, klar. Doch auch tagsüber surrt und summt es hier. Und zwar auf dem Dach.
Seit drei Jahren stehen fünf, manchmal sechs Bienenvölker im Osten des weitläufigen, begrünten Flachdachs, die der Hobby-Imkerin Miriam Smolka gehören. "Das ist der perfekte Standort, da bekommen sie gleich die erste Morgensonne ab", so die 53-Jährige. Ein wichtiges Detail, "denn dadurch werden die Bienen früh geweckt und können so lange wie möglich ausschwärmen." Im Sommer sind pro Volk bis zu 40.000 Arbeiterinnen damit beschäftigt, Nahrung zu sammeln und den Nachwuchs zu umsorgen. Bei der Arbeitsaufteilung sind die Bienen im Gegensatz zu den Menschen hingegen flexibel. Die bis zu 13 Millimeter großen Arbeiterinnen werden dort tätig, wo sie eben gebraucht werden.
Bienen in der Stadt: Finden die überhaupt genug zu essen zwischen Häuserblocks und Straßenzügen, in denen man für jeden noch so kleinen Baum dankbar ist? "Oh ja, die finden in München sogar mehr zu essen als auf dem Land", erklärt Smolka, die in ihrem Schrebergarten noch weitere Bienenstöcke stehen hat. Jenseits des städtischen Raums müsse man Bienen aufgrund des Einsatzes von Pestiziden und Herbiziden häufig zufüttern, weil nicht mehr genug blühen kann, "aber in der Stadt gibt es jede Menge Kastanien, Linden und Robinien, an denen sich die Bienen ausgiebig bedienen können." Und weil die Arbeiterinnen bis zu drei Kilometer weit fliegen können, stehen ihnen Sammelorte auch weit jenseits des Theaterdunstkreises zur Verfügung.
Eine Biene umrundet in ihrem Leben mind. einmal die Erde.
Laut des Länderinstituts für Bienenkunde im brandenburgischen Hohen Neuendorf fliegt die fleißige Honigbiene mit einer Geschwindigkeit von bis zu 25 Stundenkilometern täglich bis zu 15 Mal aus ihrem Stock. Das muss sie auch, denn um auf ein Kilogramm Honig zu kommen, muss eine Biene rund drei Kilo Nektar sammeln – dabei, so die Experten, kommt sie allein bei einem Umkreis von 800 Metern auf eine Flugstrecke von 40.000 Kilometern. Also einmal um die Welt. Miriam Smolka, die seit sieben Jahren Bienen hält, bekommt pro Volk etwa 30 Kilogramm Honig, den sie dann an Familie und Freunde verschenkt. Eine kleine Menge, aber: "Mir geht es auch gar nicht um den Ertrag", erklärt sie, vielmehr wolle sie etwas zum Erhalt dieser so bedrohten Spezies beitragen, deren größten Feinde Milben, Viren und Menschen sind.
Bienen sind nicht nur für die biologische Vielfalt und ein funktionierendes Ökosystem unbedingt notwendig, sondern bestäuben auch etwa ein Drittel aller landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Laut Greenpeace ist etwa jeder dritte Bissen, den wir zu uns nehmen, von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Allein im Winter 2020/2021 seien in Deutschland bis zu knapp 15 Prozent aller Bienenvölker gestorben, so das Ergebnis einer Befragung des Deutschen Imkerbunds unter 14.000 Imkern. Besonders schlecht geht es jedoch den Wildbienen, von denen knapp die Hälfte aller Arten gefährdet oder bereits ausgestorben ist.
Die Bienen halten sich an keinen Drehplan, die haben ihr eigenes Timing.
All das treibt Imkerin Miriam Smolka an, so oft wie möglich nach ihren Bienen zu sehen. Gerade das Frühjahr 2024 mit seinen hohen Temperaturschwankungen habe den Tieren ziemlich zugesetzt. Viel Arbeit für Smolka, die mal als Schauspielerin gearbeitet hat und heute als Script Continuity beim Fernsehen tätig ist. Die Imkerei ist schließlich kein Hobby, das man auch mal links liegen lassen kann, wenn man keine Lust darauf hat. "Die Bienen halten sich an keinen Drehplan, die haben ihr eigenes Timing."
Der Umzug zum Münchner Volkstheater erspart Imkerin Miriam Smolka aber auch ein bisschen Arbeit. Zuvor hatte sie ihre Völker auf dem Dach eines Sporthauses in der Münchner Innenstadt, "doch jetzt ist alles viel praktischer: Ich wohne nicht weit vom Theater entfernt. Außerdem gibt es im Theater einen Aufzug."