Hohe Hürden
Datum
Autor: Tobias Obermaier
Anfang Februar hieß es für Anton Sommer Abschied nehmen. Vorerst das letzte Mal stand er auf der Bühne des Münchner Volkstheaters. Insgesamt zwölfmal spielte der mittlerweile Elfjährige im Wechsel mit seinem Darstellerkollegen Theodor Junghans den Sohn von Edward II. in der gleichnamigen Inszenierung von Christian Stückl. Kurz vor seinem letzten Auftritt war von Lampenfieber wenig zu spüren: "Eine gewisse Nervosität ist natürlich da, aber wirklich aufgeregt bin ich nicht mehr. Ich bin nur etwas traurig, dass es jetzt zu Ende geht. Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit den anderen Schauspielern zusammenzuarbeiten." Er würde auf jeden Fall gerne wieder bei einer Inszenierung mitspielen, betont er.
Eine gewisse Nervosität ist natürlich da, aber wirklich aufgeregt bin ich nicht mehr. Ich bin nur etwas traurig, dass es jetzt zu Ende geht.
Es ist keine Seltenheit, dass Kinder auf der Theaterbühne zu sehen sind - auch nicht beim Münchner Volkstheater. Im März feiert bereits die nächste Inszenierung mit einer Kinderrolle ihre Premiere. In Maria Magda in der Regie von Jessica Weisskirchen ist es erneut eine Jungenrolle, die doppelt besetzt wird. Der Wechsel soll die Kinder vor einer allzu großen Belastung schützen. Schließlich müssen sie auch noch zur Schule gehen.
Um mit Kindern und Jugendlichen im Theater überhaupt arbeiten und deren Wohlergehen gewährleisten zu können, gibt es einige Auflagen, die beachtet werden müssen. Dafür zuständig ist das Künstlerische Betriebsbüro (KBB). Hier laufen alle organisatorischen Aspekte zusammen, die sowohl die Technik als auch die künstlerischen Entscheidungen betreffen, zu letzterem zählt auch die Rollenbesetzung. Für die beiden 14-jährigen Jungs in Maria Magda holte Emma Greve aus dem KBB kürzlich alle notwendigen Bescheinigungen ein. "Das Wichtigste ist die Genehmigung des Gewerbeaufsichtsamts. Die wird für alle Kinder, die nicht 15 Jahre alt sind oder bereits über 15 Jahre und noch vollzeitschulzeitpflichtig sind, benötigt", so Greve. Doch bevor diese überhaupt beantragt werden kann, muss die Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten und eine ärztliche Bescheinigung aufgrund der Doppelbelastung aus Schule und Arbeit eingeholt werden. Des weiteren muss die Schule mit einer Unbedenklichkeitserklärung bestätigen, dass die Kinder außerhalb der Schulzeit noch arbeiten können, ohne dass deren schulischen Leistungen beeinträchtigt werden. Letztlich fehlt noch eine Stellungnahme des Jugendamts.
Erst wenn all diese Sachen vorhanden sind, kann die Besetzung der Rolle beim Gewerbeaufsichtsamt genehmigt werden. Auch hier gibt es einiges zu beachten. Für die Genehmigung wird eine Inhaltsangabe samt Rollenbeschreibung benötigt. Zusätzlich ist eine genaue Auflistung der Bühnenzeit der Kinder erforderlich. "Es muss exakt angegeben werden, wann und wie lange sie auf der Bühne sind. Wenn sie einen Text haben, müssen die Passagen mit angefügt werden. Außerdem ist noch eine Gefährdungsbeurteilung der Bühne notwendig. Die erstellt unser Technische Leitung", sagt Greve. Und erst dann, wenn all diese Bescheinigungen und Genehmigungen eingeholt wurden, kann mit den Proben begonnen werden. Doch auch hier gibt es Auflagen: Kinder unter sechs Jahren dürfen nur maximal vier Stunden anwesend sein, davon dürfen sie zwei Stunden arbeiten. Bei Kindern über sechs Jahren sind es fünf Stunden, wobei sie drei davon arbeiten dürfen.
Wie findet das Volkstheater überhaupt ihre jungen Schauspieler*innen? Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine ist der hauseigene Jugendclub. Hier können sich Interessierte zwischen 14 und 21 Jahren erstmals auf der Bühne ausprobieren. Und hin und wieder übernehmen Jugendliche eine Rolle in einer der Inszenierungen. Eine andere Möglichkeit stellen klassische Casting-Agenturen dar, die eine Datenbank mit Fotos anbieten. Im Falle von Anton Sommer in Edward II. kam der Kontakt über Theaterkolleg*innen des Residenztheaters zustande, die ihn empfohlen haben. Das Theater besitzt eine eigene Statisterie, also eine Abteilung, die sich eigens um die Besetzung der Statist*innen kümmert. Dort wurde Anton in einer Kartei für junge Darsteller*innen gelistet.
Dass seine Rolle des Prinzen Edward überhaupt besetzt werden konnte, war keine Selbstverständlichkeit. Das Gewerbeaufsichtsamt war beim Lesen des Textbuchs etwas kritisch. Schließlich wird in dem Stück Edward II. ermordet, während sein Kind auf der Bühne ist. Um die Genehmigung zu erhalten, musste den beteiligten Kindern gezeigt werden, dass das Messer nicht echt ist und Kunstblut verwendet wird. Zudem brauchte es eine weitere Bestätigung der Eltern, dass die Handlung des Stücks mit den Kindern aufgearbeitet wird. Der enorme Aufwand zeigt: Der Schutz der Kinder wird im Theater sehr ernst genommen.
"Edward II." ist noch ein letztes Mal am 8. März im Münchner Volkstheater zu sehen.
"Maria Magda" von Svenja Viola Bungarten in der Regie von Jessica Weisskirchen ist ab dem 2. März im Münchner Volkstheater zu sehen.