"Es geht darum, sich gegen den Flow der Welt zu stellen, weil man weiß, dass der Flow ins Verderben führt"
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Interview: Tobias Obermeier
Mit "Prana Extrem" wird zum ersten Mal eines deiner Bücher für das Theater adaptiert. Wie geht es dir damit?
Es ist ziemlich aufregend und auch sehr besonders für mich, dass andere Menschen sich so intensiv mit meinem Buch beschäftigen und es auf die Bühne bringen.
Musste der Regisseur Philipp Arnold viel Überzeugungsarbeit leisten, um die Rechte von dir zu bekommen?
Ich hatte schnell das Gefühl, dass er einen flirrenden und ambitionierten Ansatz verfolgt. Er hat sich auf sehr eigene und ernsthafte Weise mit meinem Roman befasst.
Hast du ihm die volle kreative Freiheit gegeben?
Er erzählte mir von seiner groben Idee und wir standen immer wieder im Austausch. Ich hatte aber nicht den Anspruch, vorzugeben, wie die Inszenierung aussehen soll oder welche Schwerpunkte gelegt werden. Mir ist völlig klar, dass eine Inszenierung etwas anderes ist als ein Roman und ganz andere Facetten wichtig sind.
Wie würdest du "Prana Extrem" in eigenen Worten beschreiben?
Es ging mir darum, durch das Schreiben einen utopischen Zustand innerhalb der Welt, in der wir leben, zu erschaffen. Ein utopisches Weltverständnis, das ganz stark über die Sprache und die Arbeit mit der Sprache funktioniert. Das realistische Ambiente, in dem dieser utopische Zustand existiert, ist von Verwerfungen und einer Art Kollaps bedroht. Es ging mir darum, ein Spannungsverhältnis zu erzeugen zwischen einem realistischen Grauen und einer utopischen Gegenenergie.
Ich hoffe auf die Fähigkeiten der Menschen, ein gelingendes Miteinander zu schaffen. Dazu braucht es Fantasie, Humor und Auseinandersetzung.
In deinem Buch ist der Klimawandel allgegenwärtig. Geben diese utopischen Momente, die du beschreibst, eine Art Hoffnung angesichts der hereinbrechenden Katastrophe?
Ich würde nicht sagen, Hoffnung bezüglich des Klimas, sondern Hoffnung bezüglich eines menschlichen Miteinanders innerhalb der Katastrophe. Ich habe mir die Frage gestellt, wie man miteinander in einer Welt umgehen kann, die auseinander fällt. Und wie kann man es schaffen, dass das Auseinanderfallen der Welt nicht auf einen selbst, also auf das eigene Menschsein, übergeht? Ich wollte keinen Roman darüber schreiben, wie der Klimawandel zu stoppen ist. Es geht um die Auseinandersetzung mit der Realität, in der wir leben und wie man in dieser handeln kann, ohne zu verleugnen.
Wie kann man darin bestmöglich handeln?
Ich hoffe auf die Fähigkeiten der Menschen, ein gelingendes Miteinander zu schaffen. Dazu braucht es Fantasie, Humor und Auseinandersetzung. Es geht darum, sich gegen den Flow der Welt zu stellen, weil man weiß, dass der Flow ins Verderben führt. Der Roman ist der Versuch, etwas zu verlernen. Aber im Wissen, dass das nicht vollständig möglich ist. Zugleich ist es ein Versuch, deswegen nicht depressiv zu werden oder aufzugeben.
Ist der Roman deswegen auch von einer Art Leichtigkeit geprägt?
Ich wünsche es mir! Das meine ich mit dem Utopischen der Sprache. Es gibt den Versuch, nicht auszublenden, was um einen herum passiert und trotzdem möglichst frei zu leben. Also, dass man eine möglichst große Freiheit in der objektiven Unfreiheit ausbildet, wie es der Philosoph Markus Steinweg bezeichnet.
Der Erzähler von "Prana Extrem" trägt deinen Namen, es gibt riesige Libellen und auch eine ISS-Astronautin spielt eine Rolle. In welchem Spannungsverhältnis stehen Realität und Fiktion in deinem Schreiben.
Das, was ich als Fähigkeit zur Fantasie bezeichne, soll das Fundament meines Schreibens sein. Ich möchte mich zwar mit der Welt, in der ich lebe, auseinandersetzen, aber sobald ich schreibe, habe ich die Möglichkeit zu machen, was ich will. In der objektiven Unfreiheit kann ich mir die größte Freiheit der Fantasie erlauben, um einen Gegenraum zu erschaffen.
Ich hatte schnell das Gefühl, dass er einen flirrenden und ambitionierten Ansatz verfolgt. Er hat sich auf sehr eigene und ernsthafte Weise mit meinem Roman befasst.
In "Prana Extrem" und deinem Vorgängerroman "Flexen in Miami" spielt Hitze eine große Rolle. Warum?
Es ist zum einen eine persönliche Vorliebe, die sich hier hier ausdrückt. Zum anderen finde ich, dass sich im Sommer dieser Schrecken auch im Schönen zeigt. Wenn die Trockenheit und die Hitze nicht nachlassen, droht die Erleichterung, dass es endlich warm ist, irgendwann zu kippen. In der Leichtigkeit, die ich mit dem Sommer verknüpfe, steckt noch etwas Dunkleres drin. Ich frage mich, inwieweit es diese Form von Schönheit, nach der man sich sehnt, in so einer Welt überhaupt geben kann. Trotzdem suche ich nach dieser Schönheit.
Die Uraufführung von "Prana Extrem" von Joshua Groß in der Regie von Philipp Arnold ist ab dem 8. Juni 2024 im Münchner Volkstheater zu sehen.