Die Tür des Kostümfundus. Sie steht leicht offen.

Schatzkammer Kostümfundus

Den Umzug ins neue Haus hat die Kostümabteilung dazu genutzt, den Fundus ins digitale Zeitalter zu überführen. Vom Engelsflügel bis zur Unterhose: Jedes einzelne Teil muss dafür erfasst werden.

Autorin: Katinka Holupirek

Wäre der Raum nicht sehr groß und sehr hoch, man könnte meinen, in einem exklusiven Modegeschäft gelandet zu sein. Den Empfang bildet ein moderner Holztresen mit Glasvitrine, in der säuberlich aufgereiht unzählige Brillengestelle und Uhren in allen Formen und Farben liegen. Dahinter steht Aline Mühlbauer. "An manchen Tagen geht es hier auch wirklich zu wie in der Boutique, wenn sich Ausstatter*innen und Schauspieler*innen auf der Suche nach passenden Kostümen die Klinke in die Hand geben.", lacht die gelernte Modedesignerin. Seit 2017 betreut sie als Teil der Kostümabteilung den Kostümfundus am Münchner Volkstheater.

Steht eine neue Produktion an, probt das Ensemble bis zu den Endproben in Kostümen aus dem Fundus. Das hilft den Schauspieler*innen dabei, sich einzufühlen.
Aline Mühlbauer, Fundusverwalterin

In dem riesigen, meterhohen Raum mit seinen deckenhohen Schränken befindet sich von Schuhen und Stiefeln über BHs und Unterhosen, Fatsuits, Röcke lang und kurz, Hosen und Einteiler, Kostümen mit spezieller Patina (damit sie verschmutzt oder gebraucht aussehen) bis hin zu Hüten und anderen skurillen Kopfbedeckungen gefühlt alles, was sich am Körper tragen lässt. "Steht eine neue Produktion an, probt das Ensemble etwa drei Wochen vor der Hauptprobenzeit in Kostümen aus dem Fundus. Das hilft den Schauspieler*innen dabei, sich einzufühlen. Deswegen haben wir vieles in mehrfacher Ausführung hier, Schuhe zum Beispiel: je ein Paar für Probe und laufende Vorstellungen – und ein Paar als Ersatz. Aber auch bei Low-budget-Produktionen, Filmdrehs wie für die Produktion 'hyper' oder bei Aufführungen des Jugendclubs kommen unsere Sachen zum Einsatz. "

In allererster Linie hat uns das Thema Nachhaltigkeit dazu bewegt.
Margit Faigle, Leiterin der Kostümabteilung

In den vergangenen Monaten haben Aline und ihre Kolleg*innen jedes einzelne der Stücke in der Hand gehabt. Den coronabedingten Stillstand nutzte das Team, um auszumisten, Kostüme auszubessern und zu reparieren. Und mit einem QR-Code zu versehen. Denn den Umzug ins neue Haus hat die Kostümabteilung zum Anlass genommen, um ein echtes Mammutprojekt zu starten: die Digitalisierung des Fundus.

"In allererster Linie hat uns das Thema Nachhaltigkeit dazu bewegt. Alles, was wir wiederverwenden können, muss nicht neu gekauft werden. Die Ausstatter*innen, mit denen unser Haus zusammenarbeitet, kommen von überall her und haben selten die Zeit, unserem Fundus vorab einen Besuch abzustatten. Nun haben sie die Möglichkeit, sich digital durchzuklicken, Inspiration zu finden und geeignete Kostüme für ihre Stücke herauszusuchen.", erzählt Margit Faigle, die Leiterin der Abteilung.

 

 

Bis wirklich jedes Stück online auffindbar ist, wird es allerdings noch ein bisschen dauern. "Im Moment sind wir noch in der Erfassungsphase. Jedes Teil wird an einer Schneiderpuppe fotografiert und das Bild plus die dazugehörigen Daten wie Maße und Produktion mit dem jeweiligen Barcode verknüpft." Alle Hüte, Uhren, "Einteiler Röcke" und "Einteiler Kleider" sind bereits erfasst – fehlen nur noch die übrigen drei Viertel. Dann allerdings hat das Volkstheater seinen Fundus im Blick wie kaum ein anderes Theater in Deutschland.

"Unser Kostümfundus ist ein riesengroßer Schatz und die meisten Stücke echte Unikate. Wie zum Beispiel die historische Rokokokleidung aus Kunstleder inklusive aufwändiger Unterkonstruktion, die wir für die Inszenierung von 'Hedda Gabler' angefertigt haben. Jetzt nach dem Umzug ist alles wirklich super gepflegt, worauf wir ganz besonders stolz sind."

 

Nach dem Umzug macht das Team von der Abteilung Kostüm auch noch etwas anderes stolz. Nun, wo jedes Teil seinen Platz an neuer Stelle gefunden hat, fehlt im Fundus nur ein einziges Kleidungsstück: eine Herrenhose, aus der Inszenierung von "Wer hat meinen Vater umgebracht?". Im Vergleich zu den Sachen, die der Fundus sonst noch zu bieten hat, ein Verlust, der sich verschmerzen lässt. Und was wäre das schon für ein Umzug, wenn am nicht am Ende was fehlt?