"Ich habe keinen einzigen Tag mehr an das alte Haus gedacht."
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Interview: Julia Rothhaas / Fotos: Gabriela Neeb
Herr Stückl, hatten Sie im Laufe des Bauprozesses je schlaflose Nächte?
Eigenartigerweise nie! Das ganze Projekt lief einfach durch, wir haben den Neubau des Theaters relativ sauber hinbekommen. Selbst als Corona kam, hat nie jemand signalisieren müssen: Es wird eng. Erst jetzt, wo die letzten Prüfungen im Haus stattfinden und wir kurz vor der Eröffnung stehen, wälze ich mich nachts manchmal im Bett.
Warum können Sie nicht schlafen?
Eigentlich kann mich seit Beginn der Pandemie nichts mehr erschüttern. Und doch stehe ich nun vor dem Theater und frage mich: Können wir einfach weitermachen wie bisher? Irgendwie verlangt das neue Haus doch etwas Neues. Wir machen viele Uraufführungen, haben viele neue Regisseurinnen und Regisseure engagiert, trotzdem habe ich das Gefühl: Wir brauchen mehr! Wegen dieses "mehr" kann ich gerade nicht so gut schlafen.
Fühlen Sie sich im neuen Theater noch fremd oder sind Sie bereits angekommen?
Seitdem ich den Schlüssel für das Haus bekommen habe, bin ich komplett hier. Ich weiß gar nicht, wie mein Büro in der Brienner Straße eigentlich aussieht und ob da noch was von mir herumsteht. Ich war nie mehr dort und habe keinen einzigen Tag mehr an das alte Haus gedacht.
Haben Sie schon einen Lieblingsort am Viehhof?
Nicht wirklich. Aktuell sitze ich aber am liebsten im Innenhof. Da kann ich das Ganze in Ruhe auf mich wirken lassen. Es war ja spannend, die Anforderungen für ein Theater nur auf Papier zu beschreiben, und nie zu wissen, ob das am Ende alles funktioniert. Jetzt sehe ich es vor mir. Außerdem kommen immer wieder Leute aus der Nachbarschaft in den Hof, die sagen, wie schön sie das neue Haus finden. Das höre ich natürlich gern!
Zum Glück haben wir in der Brienner Straße gelernt, wie man improvisiert.
Sie eröffnen die neue Spielzeit mit "Edward II.". Denkt man beim Inszenieren mit, was das Theater nun alles an technischen Möglichkeiten zu bieten hat?
Wir suhlen uns förmlich in dem, was wir jetzt alles können. Nicht nur ich, sondern auch der Regisseur Bonn Park inszeniert gleich auf unserer neuen Drehbühne, das wird allerdings für Stau sorgen beim Auf- und Abbau. Zum Glück haben wir in der Brienner Straße gelernt, wie man improvisiert.
Freuen Sie sich trotz mancher schlaflosen Nacht auf den Eröffnungsabend?
Ja, aber es ist schade, dass wir coronabedingt aktuell noch nicht wissen, wie viele Personen wir zur Eröffnung einladen können. Wir möchten neben den offiziellen Gästen wie Architekturbüro, Bauunternehmer und der Stadt München auch ehemalige Ensemblemitglieder, langjährige Freunde und die Familien des Teams dabei haben. Also machen wir jetzt drei Premieren an drei Tagen hintereinander, auch wenn dann leider nicht jeder die Rede von Dieter Reiter am ersten Abend hören kann. Gleichzeitig hoffe ich, dass der erste Trubel bald vorbei ist. Wir können es ja nur falsch machen, so wie bei Dornröschen, wo die dreizehnte Fee nicht eingeladen wurde und das ganze Land dann in einen hundertjährigen Schlaf fiel. Das darf uns nicht passieren.